NEW WORK: WOHER KOMMT DER BEGRIFF UND WAS BEDEUTET ER?

Für New Work gibt es keine einheitliche Definition – vielmehr fasst der Begriff eine Vielzahl von Arbeitsmodellen, Führungsansätzen und Organisationsstrukturen zusammen. Der Vater des New-Work-Konzepts ist der Sozialphilosoph Frithjof Bergmann: Bereits in den Siebzigerjahren des zwanzigsten Jahrhunderts entwickelte Bergmann das Konzept der neuen Arbeit.

Vereinfacht gesagt, stellte er das Modell der Lohnarbeit infrage, bei dem der arbeitende Mensch nur Mittel zum Zweck war – dem Zweck eine Aufgabe zu erledigen und somit Gewinn zu erwirtschaften. In Bergmanns Verständnis von New Work ist die Arbeit das Mittel zur Selbstverwirklichung des Menschen: Die Mitarbeitenden sollen tun, was sie „wirklich, wirklich wollen“. Schon damals war die Automatisierung in der Automobilindustrie der Anlass für diese Überlegungen. Heute, fast ein halbes Jahrhundert später, in Zeiten von Künstlicher Intelligenz und Robotik, scheint dieses Konzept aktueller denn je. Die digitale Transformation verändert die alte Arbeitswelt grundlegend.

Doch auch der Fachkräftemangel beflügelt die New-Work-Bewegung. Denn es geht darum, die Mitarbeitenden in den Mittelpunkt des unternehmerischen Handelns zu stellen. Unternehmen, die das schaffen, werden beim Kampf um Fachkräfte die Nase vorn haben.

Das sind die wichtigsten Grundpfeiler von New Work:

  • Selbstständigkeit, Handlungsfreiheit und Vertrauen
  • Beteiligung an Entscheidungsprozessen
  • Teilhabe an der Gemeinschaft
  • Freiraum, um die eigene Kreativität und Persönlichkeit zu entfalten
  • Digitale Kompetenz

New Work steht für ein innovatives, werteorientiertes, mitarbeiterzentriertes Arbeitsumfeld. Die intrinsische Motivation der Mitarbeitenden soll gestärkt werden. Denn sie ist der Schlüssel zum Erfolg eines Unternehmens. Doch dafür bedarf es einer grundlegenden Veränderung in der Unternehmens- und Führungskultur. Homeoffice, eine schicke Pausenlounge und ein Obstkorb im Büro machen noch lange keine New-Work-Kultur: Dort, wo diese unechte und oberflächliche neue Arbeit gelebt wird, ohne dass eine grundlegende Kulturveränderung stattfindet, wird die Lücke zwischen den White-Collar- und den Blue-Collar-Mitarbeitenden besonders deutlich. Denn klassischerweise wird in der Arbeitswelt zwischen White-Collar- und Blue-Collar-Mitarbeitenden unterschieden. Die sogenannten White Collar Workers sind Angestellte, die vorwiegend Büroarbeit am Computer erledigen. Blue Collar Workers sind Arbeitende in Produktionsbetrieben, im Gesundheitswesen, Handwerker und Handwerkerinnen, Einzelhandels-mitarbeitende und so weiter. Die meisten sogenannten systemrelevanten Berufe zählen dazu.

Wie geht New Work in der Produktionshalle?

Wenn von New Work die Rede ist, scheint das nur die White-Collar-Mitarbeitenden zu betreffen – schließlich kann die Lagermitarbeiterin nicht ins Homeoffice gehen. Und genau hier wird deutlich, dass das New-Work-Konzept häufig missverstanden wird: Denn es ist weitaus mehr als nur Homeoffice. Auch wenn Blue-Collar-Mitarbeitende meist nicht mobil arbeiten können, sind sie dennoch Teil von New Work – denn die neue Arbeitswelt betrifft alle Unternehmensbereiche und somit auch alle Mitarbeitenden.

White Collar? Blue Collar? New Collar!

Wie kann das New-Work-Konzept in Produktionshallen Anwendung finden, wo Mitarbeitende im Dreischichtensystem am Fließband stehen und immer dieselbe Handlung ausführen? Kann diese Arbeit sinnstiftend sein, so wie es in der neuen Arbeitswelt vorgesehen ist? Die Antwort ist: Wahrscheinlich nicht, aber das muss sie langfristig nicht! Denn mit dem Einzug der Industrie 4.0, also der Digitalisierung und weiteren Automatisierung der industriellen Produktion, werden diese Jobs wegfallen. Gleichzeitig entstehen neue Aufgabenfelder mit komplexeren Prozessen und höherem organisatorischem und kognitivem Anspruch. In der Produktionshalle steht bald nicht mehr der Fließbandarbeitende – diesen Arbeitsbereich übernehmen zukünftig Roboter, Computer und Künstliche Intelligenzen. Der Mitarbeitende ist hier der Dirigent, der den Überblick über zunehmend komplexere Abläufe behält, die Prozessstabilität optimiert, die Effizienz steigert und vieles mehr. Es ist sinnvoll, diese Aufgaben an Produktionsmitarbeitende zu geben, da sie die Abläufe und Produkte am besten kennen. Entsprechende Möglichkeiten zur Weiterbildung sind hier die Voraussetzung. Bei dieser Art von Arbeit verschmelzen die Bereiche: Aus White Collar und Blue Collar wird New Collar. Gleichzeitig wird es einfacher, die Prinzipien von New Work anzuwenden.

Lässt sich New Work schon heute unternehmensweit umsetzen?

Auch in einer Arbeitswelt, in der es noch klassische Blue-Collar-Jobs gibt, lässt sich das New-Work-Prinzip anwenden. Ein Beispiel sind teilautonome Arbeitsgruppen (TAG), die bereits in den Siebzigern beim schwedischen Automobilhersteller Volvo zum Einsatz kamen. Hier steht der Gedanke der Selbstbestimmung im Mittelpunkt: In den Gruppen finden Mitarbeitende aus verschiedenen hierarchischen Ebenen zusammen und übernehmen Planungs-, Kontroll- und Organisationsaufgaben. Die Aufgabenfelder der Mitarbeitenden werden somit größer, sie haben mehr Entscheidungs-befugnis und mehr Verantwortung. In der Regel sehen Mitarbeitende ihre Beteiligung an diesen Arbeitsgruppen als Bereicherung ihrer Arbeit – was die Qualität der Arbeit verbessert und sich somit positiv auf den Erfolg des gesamten Unternehmens auswirkt.

In welcher Form auch immer: Entscheidungs- und Gestaltungsfreiräume für Mitarbeitende sind der Kern von New Work und lassen sich in jedem Unternehmensbereich umsetzen. Wenn Teams beispielsweise eigenständig ihre Schicht- und Urlaubsplanung übernehmen, neue Formen der Arbeitszeitgestaltung entwickeln oder die Arbeitsabläufe ihren Bedürfnissen anpassen, dann steigt auch das Mitarbeiterengagement. Doch damit das funktioniert, muss die Art der Führung im Unternehmen darauf abgestimmt sein.

New Work braucht New Leadership

In einer New-Work-Kultur funktionieren althergebrachte Hierarchiestrukturen nicht. New Leadership ist hier gefragt: Die Führungskraft ist nicht mehr rationaler Chef und Manager, sondern Mentor, Coach, Visionär und Motivator. Sie muss Menschen begeistern, charismatisch sein und über exzellente Kommunikationsfähigkeiten verfügen. In einer nach den Prinzipien von New Work strukturierten Arbeitswelt ersetzt Vertrauen Kontrolle, Innovationsgeist Versagensangst und Teamspirit Hierarchien. Genau das sind auch zentrale Elemente des New Leaderships beziehungsweise des Digital Leaderships.

Feedback: der stete Wegbegleiter zur neuen Arbeitswelt

Kein Unternehmen wird es schaffen, von heute auf morgen eine echte New-Work-Kultur zu etablieren. Dafür muss ein nachhaltiger Veränderungsprozess eingeleitet werden, der alle Menschen im Unternehmen einbezieht. Und das funktioniert nur mit Feedback. Ein regelmäßiger Austausch ist essenziell, denn nur so lernt ein Unternehmen die Wünsche, Sorgen und Bedürfnisse seiner Mitarbeitenden kennen. Eben das, was sie wirklich, wirklich wollen – also den Kern von New Work, wie ihn Frithjof Bergmann definiert.