Wandel in der Führungskultur

Hier seien nur einige wenige Beispiele von bekannten Führungskräften genannt, um zu verdeutlichen, welcher Wandel aktuell stattfindet:

  • Dieter Zetsche, Daimler: Aufbau einer „Schwarmorganisation“ mit flachen Hierarchien und kundenzentrierten Arbeitsformen
  • Adidas: Förderung einer agilen Führungskultur mit den vier Kernthemen Kompetenzerhöhung, Schnelligkeit, Flexibilität und Reaktionsfähigkeit
  • Paul Polman, Unilever: Strategisch getriebene Erfolge im Sinne eins Purpose-Driven-Marketing
  • Mary Barras, General Motors: Kultureller Wandel hin zu einem flexiblen Unternehmen, das schnell in der Lage ist, auf aktuelle Veränderungen, wie Elektrofahrzeuge und Mobilitätsservices, zu reagieren
  • Richard Branson, Virgin: Aufbau von vielen autarken Teams, die eigenverantwortlich entscheiden können

Empowerment, sprich die Übertragung von Handlungs- und Entscheidungsspielräumen, ist der gemeinsame Nenner, der sich durch jeden dieser Stile zieht. Der erste Schritt besteht deshalb darin, Personalverantwortliche auf allen Ebenen des Unternehmens in die Lage zu bringen, agiler zu führen.

Was zeichnet eine agile Führungskraft aus?

In agilen Teams werden Mitarbeiter befähigt eigenständig Entscheidungen zu treffen. Daher müssen sich Führungskräfte neu mit der Frage beschäftigen, was ihre Aufgabe ist. Für viele bedeutet es, sich neu zu erfinden und eine ganz andere Rolle einzunehmen. Bildlich betrachtet, heißt das, dass sie sich von der Spitze der Pyramide entfernen und sich stattdessen in die Mitte des Kreises stellen, den ihr Team bildet. Ihre Aufgabe ist es, sicherzustellen, dass jeder die Ressourcen, die Zielsetzung und die Motivation hat, die bestmögliche Leistung erbringen zu können.

Dies bedeutet für Führungskräfte zusätzliche Aufgaben neben dem klassischen Management. Schwerpunkt der klassischen Managementrolle ist Organisation und Kontrolle von Aufgaben und Abläufen. Für agile Führungskräfte sind zwei neue Aspekte wichtig: Zum einen muss die agile Führungskraft inspirieren und eine klare Vision und Strategie formulieren sowie den Wandel und die Transformation unterstützen. Zum anderen muss die agile Führungskraft ein effektiver Coach für die Mitarbeiter sein: Die Lösung von Problemen zu begleiten und die Mitarbeiter bei der Entwicklung zu unterstützen dürfen keine Nebensache mehr sein.

Über agile Führung wurde bereits viel diskutiert. Das Agile Business Consortium hat neun Erfolgsprinzipien skizziert, die wir in drei Schlüsselbereiche zusammenfassen:

1. Führung auf allen Ebenen

Führungskräfte sind entscheidende Treiber (oder Verhinderer) von Agilität und Leistung. Insbesondere das Top-Management muss mit gutem Beispiel vorangehen und definieren, was Agilität bedeutet sowie agile Teams und Manager unterstützen. Die Unternehmenskultur muss Agilität fördern, indem Führungskräften ausreichende Ressourcen und Entscheidungsbefugnisse zur Verfügung stehen. Außerdem müssen Innovationen und lösungsorientiertes Handeln gefördert werden. Fehler sollten als Teil der Entwicklung betrachtet werden und nicht als etwas, das einen zurückwirft. Tatsächlich ist eine Atmosphäre der Offenheit und des Vertrauens innerhalb des Teams eine entscheidende Voraussetzung, um kreative Ideen, innovative Verbesserungen und die Motivation jedes Einzelnen zu fördern. Unternehmen benötigen ein gewisses Maß an Agilität in allen Teams und in allen Funktionen – jedoch nicht überall in gleichem Umfang und nach dem gleichen Muster. Agilität bedeutet für die Fertigung eines Unternehmens der Automobilindustrie sicher etwas anderes als für die Marketingabteilung. Das bedeutet, dass alle Führungskräfte verstehen müssen, was von ihnen erwartet wird, um agile Führung in ihren Teams umzusetzen. Insbesondere müssen sie führen anstatt zu organisieren.

2. Verständnis für die neue Rolle der Führungskraft

Führungskräfte zu bitten, ihr gewohntes Verhalten zu verändern, kann schwierig sein. Schließlich sind viele seit 20 Jahren oder mehr in ihrer Funktion und haben in dieser Zeit viel Erfolg gehabt. Aber die moderne Arbeitswelt erfordert Veränderungen. Früher bestand die Rolle einer Führungskraft darin, die Arbeit zu priorisieren, zu organisieren und Prozesse für ihr Team einzurichten. Oftmals waren Führungskräfte diejenigen mit dem meisten Fachwissen. Es wurde erwartet, dass sie viele Entscheidungen selbst treffen. Ein wesentlicher Fokus einer Führungskraft war die Kontrolle von Arbeitsweisen und Erfolgen. Dies hatte bei Mitarbeitern im schlimmsten Fall die Angst vorm Vorgesetzten und negative Emotionen zur Folge, was sich auf ihre Leistung und Entwicklung auswirkte. Inzwischen funktioniert moderne Teamführung dezentralisierter. Jedes der Teammitglieder verfügt über eine bestimmte Expertise und ist Experte in seinem Bereich. Daraus entstehen neue Rollen im Team, welche die Zusammenarbeit und Art der Entscheidungsfindung nachhaltig verändern.

Zusammenfassend zeichnen sich agile Führungskräfte durch folgende Eigenschaften aus:

  • Sie konzentrieren sich auf verschiedene Führungsmerkmale wie emotionale Intelligenz, Selbstwahrnehmung und Dynamik, anstatt auf Befehle und Kontrolle.
  • Sie strahlen Positivität aus – sie inspirieren und kommunizieren die Unternehmensvision und -kultur und setzen Gesamtziele für das Team.
  • Sie bieten lang- und kurzfristiges Coaching an. Dabei geht es nicht darum, einzuspringen und Aufgaben ihrer Mitarbeiter zu übernehmen, sondern diese dabei zu unterstützen, zu lernen und sich zu entwickeln. Agile Teams brauchen Support, um erfolgreich zu sein – und genau diesen sollten Führungskräfte ihrem Team zusichern.

Ein Artikel im Harvard Business Review fasst dies unter dem Titel „humble leadership“ (bescheidene Führung) zusammen. Im Wesentlichen sieht es die Aufgabe des Leiters darin, seinem Team zu helfen und es zu fördern, ihm Respekt zu zeigen und den Mitarbeitern ständig die Frage zu stellen: Wie kann ich ihnen helfen, ihre Arbeit besser zu machen? Im Artikel heißt es: „You are merely overhead unless you’re bringing out the best in your employees.“ Eine gute Führungskraft ist also nur, wer das Beste aus seinen Mitarbeitern herausholt.

3. Vertrauen gewinnen

Agile Führung bedeutet auch, ein positives Umfeld und Vertrauen zu schaffen, um Innovation zu fördern. Das alte Modell einer top-down Hierarchiestruktur ohne jegliche Feedbackkultur ist überholt. Viel mehr funktioniert moderne Teamführung heute im Sinne des verstorbenen Steve Jobs: “We hire smart people so that they can tell us what to do.” Ein regelmäßiger Feedback-Prozess hilft sowohl der Führungskraft als auch dem Team sich zu entwickeln. Dafür gibt es inzwischen eine Reihe moderner Instrumente, die 360-Grad-Feedback oder Team-Feedback schlank und effektiv ermöglichen.

Im Wesentlichen müssen Führungskräfte „lernen zuzuhören, und zuhören, um zu lernen“. Dazu gehört Mitarbeiter aktiv zu befragen und Fehler als einen natürlichen Bestandteil im Entwicklungsprozess anzusehen. Führungskräfte sollten sich stattdessen die folgenden Fragen stellen: Was hat gut funktioniert? Wie lässt sich daraus lernen und der Erfolg auf andere Prozesse übertragen?

Laut Bersin sollten Führungskräfte in erfolgreichen Organisationen mit moderner Teamführung aktiv nach Feedback suchen und bereits sein, die „ungeschminkte Wahrheit“ zu hören. Nur so können sie Vertrauen gewinnen und ihr Team weiterentwickeln.

Veränderung dient dem Erfolg

Damit Unternehmen, die auf agile Teams setzen, erfolgreich sein können, brauchen sie agile Führungskräfte. Dies erfordert einen Wandel in der Denkweise und Kultur, der das Arbeitsumfeld sowohl auf Unternehmens- als auch auf Teamebene viel offener und transparenter macht.